Wasser bringt Artenvielfalt zurück
Beitrag aus der Mitgliederzeitschrift Lokal 1-2023
Ich stehe im rund sechs Hektar grossen Foremoos, ein Hochmoor von nationaler Bedeutung im Eigenthal in der Gemeinde Schwarzenberg. Vorsichtig setze ich den Fuss auf. Sofort gibt der weiche, moosige Untergrund nach und ich stehe mit meinen Schuhen im Wasser. Ein paar Schritte weiter balanciere ich auf Horsten, die das Wollgras innert weniger Jahre geschaffen hat. Auf einer offenen Bodenstelle entdecke ich eine grössere Ansammlung des Rundblättrigen Sonnentaus, eine spezialisierte Moorpflanze, die ihren Nährstoffbedarf durch Insekten deckt, die sich an ihren klebrigen Blättern verfangen. Zumindest stellenweise macht das Foremoos einen nässeren Eindruck als vor 20 Jahren - eine erfreuliche Erkenntnis.
Regeneration in Etappen
Von zahlreichen Entwässerungsgräben durchzogen, litt das Foremoos während Jahrzehnten unter dem ständigen Wasserentzug. Birken und Bergföhren kamen vermehrt auf und die Lebensraumqualität nahm stetig ab. Seit 1977 ist das Hochmoor ein Pro Natura Schutzgebiet. Nachdem bereits in den 1980er Jahren erste Gräben aufgestaut und so mehrere Gewässer geschaffen wurden, sollte es bis 2008 dauern, bis das noch immer zu trockene Hochmoor umfassend regeneriert wurde. In einer ersten und zweiten Etappe wurden weitere Gräben eingestaut und teilweise verfüllt, zusätzliche Kleingewässer geschaffen und das Gebiet grosszügig durchforstet. In einer dritten Etappe folgten Massnahmen im östlichen Teil des Schutzgebiets, einem von Gräben durchzogenen, trockenen und leicht abfallenden Gelände. Um dort eine möglichst ebene Fläche zu erhalten, wo das Wasser länger verbleibt, wurde die Vegetationsschicht entfernt und vorübergehend deponiert. Nach Einebnung der darunter liegenden Bodenschicht setzte man die Vegetationsschichten zurück. Mit der Entfernung von Drainagerohren, dem Aufstauen von Gräben und der Aufschüttung von Dämmen wurde der Wasserrückhalt weiter verbessert.
Hochmoorvegetation statt Langlaufloipe
Am Nordrand des Schutzgebiets liegt das ehemalige Trassee der Langlaufloipe, wo die Moorvegetation einerseits durch Entwässerungsmassnahmen, aber auch durch den Betrieb der Langlaufloipe verändert und teilweise geschädigt wurde. Pro Natura Luzern verlangte schliesslich von der Betreiberin, dass diese auf die Entwässerungsmassnahmen verzichtet. Die zahlreich vorhandenen Entwässerungsrohre wurden zurückgebaut. 2016 hob die Betreiberin dieses Teilstück der Loipe schliesslich auf. Heute entwickelt sich dieser Bereich besonders schön und bietet typischen Hochmoorbewohnern, etwa der Gemeinen Moosbeere oder der Rosmarinheide, einen wertvollen Lebensraum.
Erfolg ist spür- und messbar
Zeigen die umgesetzten Massnahmen die gewünschte Wirkung? Welche spezialisierten Tier- und Pflanzenarten profitierten bisher von der Regeneration? Um diese Fragen beantworten zu können, führt Pro Natura verschiedene Erfolgskontrollen durch. So messen Sonden seit 2017 die Wasserstände, um verschiedene Faktoren, die den Wasserstand im Moor beeinflussen, besser zu verstehen und die Wirksamkeit der Staumassnahmen zu überprüfen. Im östlichen Teil des Schutzgebiets beobachtet man seit 2015 auf fünf Untersuchungsflächen die Entwicklung der Vegetation. Die Resultate zeigen, dass hochmoortypische Arten generell zugenommen haben. Noch dominiert das Pfeifengras und so sind stark lichtbedürftige Arten wie der Rundblättrige Sonnentau, die Gemeine Moosbeere, die Rosmarinheide oder Torfmoose bislang nur in geringen Anteilen zu beobachten. Dennoch zeigen die Ergebnisse, dass die Regenerationsmassnahmen zu einer höheren Verfügbarkeit von Wasser im Boden geführt haben. Für die künftige Entwicklung hin zur Hochmoorvegetation ist dies entscheidend.
Vielfalt im Hochmoor
Auch im Zentrum des Hochmoors entwickelt sich die Vegetation gut. Stellenweise haben sich grosse Bestände von Torfmoosen und der Gemeinen Moosbeere entwickelt. Die neu geschaffenen Kleingewässer werden auffällig rasch von verschiedenen Torfmoosarten besiedelt. Eine Bestandesaufnahme der Libellen zeigte, dass diese Gewässer für einige Arten wichtige Fortpflanzungshabitate sind. Einige Arten sind zwingend auf die speziellen Bedingungen in Hochmooren angewiesen und pflanzen sich ausschliesslich in diesen fort. Dazu gehört etwa die Arktische Smaragdlibelle, deren Larve zwischen Torfmoosen lebt. Diese schweizweit gefährdete Art pflanzt sich im Foremoos regelmässig fort. Auch die seltene Hochmoor-Mosaikjungfer wurde bei der Eiablage beobachtet. Weitere charakteristische Arten, wie zum Beispiel die Kleine Moosjungfer oder die Torf-Mosaikjungfer, kommen in grösseren Beständen vor.
Zu den regelmässig im Gebiet beobachteten Arten zählt auch die Mooreidechse. Das zierliche Reptil zeigt eine besondere Anpassung an eine kühlere Umgebung: die jungen Eidechsen entwickeln sich nicht in Eiern, sondern im Mutterleib und werden vollständig entwickelt geboren.
Die Zahl der Tagfalter-Arten ist im Foremoos und der unmittelbaren Umgebung eher gering. Von vielen Arten gibt es nur kleine Bestände. Erfreulich ist deshalb, dass im Juli 2022 erneut eine Beobachtung eines Hochmoor-Perlmutterfalters gelang. Die Raupen dieser an Hochmoore gebundenen und stark gefährdeten Art ernähren sich von der Gemeinen Moosbeere. Die Falter hingegen sind, wie alle nektarsaugenden Insekten, auf ein gutes Blütenangebot angewiesen.
Wie geht es weiter?
Eine bleibende Herausforderung ist die Pflege des Schutzgebiets. Auf eher trockenen Flächen ist eine herbstliche Mahd weiterhin nötig, um lichtbedürftige Pflanzenarten zu fördern und das Aufkommen von Sträuchern und Bäumen zu verhindern. In nässeren Bereichen, wo Torfmoose gut wachsen, sind keine oder nur sporadische Pflegemassnahmen nötig. Aktuell prüft Pro Natura Luzern, ob zusätzlich einige kleinere Gräben verschlossen werden können, um den Wasserrückhalt im Gebiet weiter zu optimieren. Für die Tagfalter und andere Insekten ist die Förderung des Blütenangebots im Umfeld des Hochmoors zentral. Hierzu müssten möglichst grosse Flächen künftig extensiv genutzt und ab Ende Juni gestaffelt gemäht werden. Pro Natura Luzern wird auch in Zukunft zusammen mit den Eigentümern der Nachbarparzellen und den Bewirtschaftern nach Lösungen suchen.
Samuel Ehrenbold
Stv. Geschäftsführer/Fachmitarbeiter