Prächtige Bäume, rare Sorten, feine Säfte
Beitrag aus der Mitgliederzeitschrift Lokal 1-2022
Seit über 20 Jahren setzt sich Pro Natura Luzern in Zusammenarbeit mit engagierten Landwirten für eine vielfältige und ökologisch wertvolle Kulturlandschaft ein. Lag bis 2010 das Luzerner Seetal im Fokus der Bemühungen, so weitete Pro Natura Luzern die Hochstammförderung ab 2011 auf das ganze Kantonsgebiet aus. Was sich erst im Laufe der Jahre entwickelte, entpuppte sich als eigentlicher Motor für die erfolgreiche Umsetzung unterschiedlicher Projektziele: die kontinuierliche Bearbeitung des Themas schuf ein weit verzweigtes Netzwerk engagierter Landwirte, Sortensammler, Baumliebhaber und Gourmets, welches sich längst nicht mehr nur auf den Kanton Luzern beschränkt.
Bäume für Artenvielfalt und Landschaft
Ende 2021 ging das zweite kantonsweite Förderprojekt zu Ende. Auch im jüngsten Projekt bildete die Förderung von Baumpflanzungen das Grundgerüst des Projekts. Eine professionelle Beratung zur Sortenwahl, die Koordination von Sammelbestellungen und eine optimierte Subventionspolitik führten zu einer anhaltend grossen Nachfrage nach Hochstammobst- und Feldbäumen. Im Rahmen des fünfjährigen Projekts wurde die Pflanzung von über 2'500 Bäumen unterstützt.
Kein Baum wie der andere
Apfelbäume wurden am häufigsten gepflanzt, gefolgt von Zwetschgen- und Birnenbäumen. Besonderes Augenmerk galt jedoch der Sortenvielfalt. Für die Sortenwahl entscheidend ist nebst dem standortspezifischen Mikroklima in erster Linie auch der Verwendungszweck sowie die Robustheit gegenüber Krankheiten. Die Liste der Sorten ist lange: alleine seit 2016 wurden 177 Apfel-, 84 Birnen-, 51 Zwetschgen-, 37 Kirschen-, 13 Quitten-, 5 Aprikosen-, 8 Edelkastanien- und 7 Baumnusssorten gepflanzt. Ausdruck der Sortenvielfalt ist etwa auch die reich bebilderte Sortenliste mit rund 180 Apfel- und 100 Birnensorten.
Schatzkisten der Vielfalt
Sortengärten dienen dazu, eine Auswahl seltener oder typischer Sorten langfristig zu erhalten. Im Rahmen des Projekts wurde beim Tropenhaus Wolhusen ein solcher Sortengarten erstellt. Über 50 verschiedene lokale und regionale Apfel- und Birnensorten, welche in der Zentralschweiz ihren Ursprung haben, fanden dort eine neue Heimat. Auch Sorten, die fast verschwunden sind, wie zum Beispiel die Sorte «Süssbreitecher» aus Hämikon oder der «Süss-Chögeler» aus dem Raum Römerswil konnten auf diese Weise gerettet werden. Auch der glückliche Zufall half mit: In einem Fall gelang es einige Jungbäume zu veredeln, bevor der Mutterbaum im Herbst vom Wind gefällt wurde.
Katzenkopf, Gelbmöstler und Eierbirne
Die Feuerbrand-Krankheit und fallende Mostobstpreise rissen während Jahrzehnten grosse Lücken in die Birnbaumbestände. Grund genug, den Birnbaum ins Zentrum des Projekts zu rücken. Die Vielfalt an Sorten und deren Verwendung öffnet den Blick auf längst vergessene Rezepte. In Zusammenarbeit mit «Hochgenuss» wurde die Innovation und Vermarktung von kulinarischen Produkten aus Birnen gefördert. So entstanden etwa Birnen-Bier, sortenreine Birnendicksäfte, eingemachte Kirchbirnen oder ein Ketchup mit Birnen und Vogelbeeren. Besonders eindrücklich sicht- und erlebbar wird die Sortenvielfalt bei der Degustation der rund 20 sortenreinen Apfel- und Birnensäfte.
Ökologisches Potential nutzen
Hochstammobstbäume haben nebst ihrer landschaftsprägenden Erscheinung ein immenses ökologisches Potenzial. Insbesondere ältere Bäume weisen dank ihrer rauhen Rinde und Höhlungen wertvolle Nischen auf, die Pilzen, Insekten, Vögeln oder Fledermäusen als Lebensraum oder zumindest als Unterschlupf dienen. Oft jedoch fehlt es in der Umgebung der Obstgärten an einer Nahrungsgrundlage oder die Lebensräume sind zu wenig gut miteinander vernetzt. Während Insekten auf ein reiches Blütenangebot angewiesen sind, schätzen insektenfressende Vögel offene oder lückig bewachsene Bodenstellen, wo ihre Beutetiere gut erreichbar sind. Im Rahmen des Projekts wurde deshalb die ökologische Aufwertung der Obstgärten mittels Beratung und konkreten Massnahmen unterstützt. Auf rund 12 Hektar Fläche wurden Blumenwiesen angesät, Kleinstrukturen erstellt oder Hecken und Waldränder aufgewertet. Eine höhere ökologische Qualität der Obstgärten ist auch für Landwirtschaftsbetriebe interessant: es werden höhere Unterstützungsbeiträge ausbezahlt. Zwar sind die umgesetzten Massnahmen nur ein Tropfen auf den heissen Stein der Biodiversitätskrise. Trotzdem können gelungene Beispiele ökologischer Aufwertungen Bewirtschafter und Eigentümer für zusätzliche Umsetzungen im Kulturland motivieren.
Tue Gutes und sprich darüber
In rund 20 Medienberichten wurden die Aktivitäten des Hochstammförderprojekts thematisiert. Die kulinarischen Produkte wurden an über 20 Anlässen wie Märkten, Degustationen oder Messen der breiten Bevölkerung vorgestellt. Wer die neusten Produkte aus Hochstammobst probieren möchte, dem sei zum Beispiel ein Besuch im Culinarium Alpinum in Stans empfohlen, wo man mit Leichtigkeit ins kulinarische Erbe der Alpen eintaucht und dabei auch das eine oder andere Unbekannte entdecken kann.
Projektleitung und Finanzierung
Die Leitung der bisherigen Hochstammförderungsprojekte oblag Roger Hodel, Altishofen, der die Projektziele mit einem grossen Engagement und viel Fachkompetenz vorantrieb. Das Hochstammförderungsprojekt 2017-2021 wurde vom Fonds Landschaft Schweiz, der Sophie und Karl Binding Stiftung, der Ernst Göhner Stiftung, der Betten Thaler AG, Pro Natura und, Pro Natura Luzern finanziell unterstützt. Zahlreiche Beteiligte leisteten unentgeltliche Arbeitsstunden. Pro Natura Luzern dankt allen Beteiligten für ihr Engagement zu Gunsten einer vielfältigen und artenreichen Kulturlandschaft.
Weiterführende Informationen
Info
Hochstammobstbäume in Altwis © Roger Hodel